Albin Kavcic bekam Entschädigung – nun dreht sich politisches Karusell

Zieht in der Provinz noch: Max Friedrich. In Wien, wo er nicht jedem seine Weisheiten ins Ohr blasen kann, wird es eng um seine Zukunft. Eine parlamentarische Anfrage ging vor fünf Tagen an die Justizministerin. Im Bild bei einem Vortrag in Krems. (Bildquelle: Die Zeitung der Gruppenfotos, die im Durchschnitt 5-24 Personen am Zeitungsfoto präsentiert - Niederösterreichische Nachrichten, am 2. März 2009, S. 25)

(Wien, im März 2009) Man kann zu Albin Kavcic geteilter Meinung sein. Diese Seite sagte immer: Er ist unsympathisch. Ein 36-Jähriger, der in Frühpension ist, das muss nicht sein. Jemand, der für ein Interview mit der „Ganzen Woche“ 1.000 Euro Aufwandsentschädigung nimmt, will Informationen nicht auf ehrliche Art an die Öffentlichkeit bringen.

Offene Haltung wird belohnt

Umgekehrt: Er hielt sein Gesicht in der größten österreichischen Wochenzeitung „Ganze Woche“ (38/08) hin und sagte: „Ich bin Albin Kavcic. Ich saß 21 Monate zu Unrecht in Haft.“ Das ist mutig und ehrenwert. Ab diesem Zeitpunkt war es eine offene Gangart ohne Visier und ohne das übliche Pseudonymgetue, zu dem „Justizopfer“ in Internetzeiten gern neigen. Er zeigte sich – nach Bert Brecht gesprochen – mit Name und Adresse. Jetzt gilt: Man nimmt es ernst.

Fehlgutachten

Albin Kavcic wurde von Max Friedrich begutachtet und auf Grund dieses Gutachtens am 17. Dezember 2003 strafrechtlich schwer bedient. Er bekam drei Jahre Haft für den ungeheuerlichen Vorwurf des Missbrauchs seiner Tochter. Die Tochter war eine Stieftochter und es gärte ein Sorgerechtsstreit. Im selben Prozess wurde als Mitangeklagter auch der Großvater der Tochter zu drei Jahren verurteilt. Albin Kavcic beteuerte stets seine Unschuld. Doch es wurde ihm nicht geglaubt. In der Justizanstalt Sonnberg (NÖ) ging es ihm psychisch nicht gut. Dann half ein junger Villacher Rechtsanwalt. Peter Gradischnig hält nur ein Prozent an der väterlichen Kanzlei, doch dieses eine Prozent machte ihn in diesem Fall wertvoll. Eine aufwändige Wiederaufnahme wurde durchgebracht.

Im Wiederaufnahmeverfahren im Herbst 2008 am Landesgericht Klagenfurt stellte man fest, dass Albin Kavcic schuldlos an den Vorgängen rund um seine Tochter ist. Der Großvater hingegen wurde nicht freigesprochen. Der Villacher Anwalt ging den nächsten Schritt und verlangte für die schuldlos verbrachte Haft von 21 Monaten eine entsprechende Haftentschädigung. 200.000 Euro wurden als angemessen erachtet. In Vergleichsgesprächen mit dem Justizministerium einigte man sich auf 120.000 Euro.

Politisches Karusell

Diese Fälle sind Wasser auf die Mühlen derer, die das Gutachterwesen hinterfragen. Sie sind Öl ins Feuer derer, die Parteipolitik machen wollen. Es ist nicht immer zweifelsfrei zu erkennen, ob das eine vom anderen zu trennen ist.

Wenn „Väterrechtler“ im dritten Lebensherbst auf die Verliererstraße rund um Kind, Wohnung und Besitztum geraten, kritisieren sie viel. Kritisieren sie Justizentscheidungen, weil sie für mehr Objektivität und Hygiene im Staat sind? Oder üben sie Kritik, weil die meisten Gutachter aus dem politischen Feindlager stammen? Dass der FPÖ-Politiker Heinz-Christian Strache Wiener Bürgermeister werden will, sagt er jeden Tag. Dass ihm jeder Vorwurf gegen den sozialdemokratischen Erzfeind sehr gelegen kommt, rundet das politische Spiel ab.

Freiheitliche Munition

Der Fall Albin Kavcic trat nun ins politische Ringelspiel ein. Die Verhandlungen um die Haftentschädigung wurden vom Kärntner Anwalt Peter Gradischnig abgeschlossen. Der schuldlos Inhaftierte bekommt sein Geld. Doch die Geheimhaltung kippte, als der Fall auf die politische Agenda gehoben wurde. Der Fall ist für Gruppen, die aus der Vermischung von Strafrecht und Zivilrecht (Obsorgeverfahren) scharfe Munition beziehen, geeignet.

Albin Kavcic bekommt 120.000 Euro. Mit seinem Fall ging er zur FPÖ. (Foto: Ganze Woche 38/08)

So nahm sich der Freiheitliche Parlamentsklub in der Person des Thomas Tayenthal der Sache an. Auf seiner Webseite „Trennungsopfer“ sammelt man unter dem offiziösen Anstrich der Parlamentstätigkeit Härtefälle zum Scheidungsrecht, die ins Schema der freiheitlichen Leitgedanken passen. Jugendämter sind Mütterämter, Gemeinsame Obsorge existiert nur am Papier, Richter bevorzugen Mütter und Frauen und benachteiligen Männer.

Parlamentarische Anfrage zu Max Friedrich

Dass man die Linie der Väterfreundlichkeit nicht immer stramm einhält, bewies der Freiheitliche Parlamentsklub vor wenigen Monaten, als er die 39-jährige Exgattin des Wiener Anwalt Georg Zanger empfing und im Streit ums Sorgerecht beriet. Besser ins Schema passt der Fall Kavcic, der nun Thema einer Parlamentarischen Anfrage wurde.

Unter der Zahl 1465/J.24 GP brachte der freiheitliche Parlamentsklub am 25. März 2009 eine Anfrage an die Justizministerin zum Fall Kavcic ein. Darin stellt man einen Zusammenhang zwischen dem Obsorgestreit und Gutachter Max Friedrich her und will auch die Abläufe rund um die Haftentschädigung dokumentiert wissen.

Frage 1 lautet: „Wird der Vater Albin K. von der Republik mit Steuergeldern entschädigt?“ Frage 2: „Wenn ja, wird sich die Republik die Entschädigung von Univ. Prof. Dr. Max Friedrich zurückholen?“

Regress- und Rücktrittsforderungen an Max Friedrich

Weiters wird gefragt (Frage 3) „wann man an Univ. Prof. Dr. Max Friedrich bezüglich Rückforderung herantreten werde“ und in Fragen 8-11, wie es um das „Ermittlungsverfahren“ (aus 2007) gegen Max Friedrich steht.

Die Fragen werden in ungefähr zwei Monaten beantwortet sein. Die Parlamentarische Anfrage ist nun die erste, die sich auf Max Friedrich als Gerichtsgutachter bezieht. Dieses Journal sagte schon im Herbst 2008, dass nach den Parlamentarischen Anfragen gegen Egon Bachler und Rotraut Erhart die nächste zu Max Friedrich folgen werde, was nun eingetreten ist.

Doch das Instrument der Parlamentarischen Anfrage ist stumpf. Es dokumentiert Missstände, aber die Mechanik der parteipolitischen Anfragen ist vor allem im Justizbereich meist gleich: Ein Minister will in den Antworten nicht in die Rechtssprechung eingreifen. Manche Fragen werden mit einem Satz beantwortet. Auch in dieser Anfragebeantwortung wird man erwarten können, dass der Hinweis nicht fehlt, dass Max Friedrich erst Ende Dezember 2008 auf weitere zehn Jahre rezertifiert wurde.

Marcus J. Oswald (Ressort: Haftentschädigung)

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