England schliesst drei Gefängnisse – Erstes Schließungsprogramm seit 1945

(Wien/London, im Jänner 2011) Zäsur auf der Insel: Das Königreich England startet ein erstes groß angelegtes Gefängnisschließungs-Programm. Es ist das erste seit dem Zweiten Weltkrieg. Zwar wurden in den letzten 15 Jahren in großen Zeitabständen zueinander schon drei Gefängnisse geschlossen (1996: Oxford, 1999: Aldington/Kent und 2005: The Weare/Dorset). Doch nun folgt ein kompaktes „Programm“ im Regierungsplan der Torys, das Justizminister Kenneth Clarke Mitte Jänner 2011 bekannt gab. Es ist Teil der Strategie, den Häftlingsstand bis 2015 um 3.000 Personen zu reduzieren.

Der Beschluss, 2011 drei Gefängnisse und weitere zu schließen, bringt Minister Clarke Kritik aus den eigenen Reihen der „Tory“-Partei ein, die ihm vorwirft, mit seiner Gefängnispolitik keine Law and Order-Politik zu verfolgen.

Jedoch ist die „Schließungswelle“ eine Reaktion auf die seit 2007 laufende „Bauwelle“. An Stelle der geschlossenen Häuser entstehen sechs kleinere Neubauten, darunter fünf „superjails“ (Hochsicherheit) für insgesamt 1.500 Insassen. Gesamtplan ist jedoch, den Pegel der Inhaftierten bis 2015 kontrolliert abzusenken. Dabei verfolgt der Justizminister die Absicht, Leute nur mehr bei schweren Straftaten ins Gefängnis zu schicken und die Ersatzstrafen (Sozialarbeit) auszubauen. Diese Hintergründe berichtet die Tageszeitung „The Times“ in ihrer Ausgabe vom 13. Jänner 2011.

Drei Schließungen fix

Ashwell Prison in Rutland wird geschlossen, ferner Lancaster Castle, ein mittelalterliches Schloss mit Wehrtürmen und Holztoren, sowie Morton Hall, ein Frauengefängnis. Diese 800 Häftlinge werden verlegt oder bedingt gegen Sozialarbeit entlassen, wie der Justizminister dem englischen Parlament mitteilt. Hauptgrund: Sparmaßnahmen.

Die nun bald geschlossenen Häuser im Detail:

Ashwell Prison hat 200 Männer im Normalvollzug ohne große Gefahr. Vormals waren 500 Plätze verfügbar, bis es 2009 eine Revolte gab und seither nur mehr zwei Trakte belegt sind. Nun wird das Haus zur Gänze geschlossen.

Lancaster Castle gehört der Grafschaft von Lanchester und beherbergt 239 Männer. Es ist eines der letzten mittelalterlichen Schlösser, die Gefängnisburgen wurden und die bis heute bestehen. Es soll das älteste Gefängnis der Welt überhaupt sein. Nun ist seine Zeit abgelaufen. Schon 2007 wusste der Gefängnisdirektor über Gerüchte der Schließung Bescheid. Es ist baulich überaltert und nicht geeignet, moderne Resozialisierung in diesen antiquierten Gemäuern durchzuführen.

Morton Hall beherbergte 300 ausländische Häftlinge, meist Frauen. Nun wird es geschlossen und ein Schubgefängnis für Personen, die illegal eingereist sind und keinen Aufenthalt erhalten.

Das Schließungsprogramm ist nun möglich und politisch argumentierbar, weil es seit 2007 das Neubau-Programm in England gibt. Damals begann man mit den Neubauten aus aktuellem Anlass, weil sich ein Überbelag abgezeichnet hat und Häftlinge schon auf Polizeistationen und in Bezirksgefängnissen ihre Strafe abgesessen haben. Dem wurde mit dem Bauprogramm erwidert. In den letzten vier Jahren wurden in England Gefängnisse radikal modernisiert. Häuser mit in Summe 10.000 Plätzen wurden zwischen 2007 und 2010 eröffnet.

Um Gesamtkosten zu sparen, werden nun ganz alte und nicht mehr zeitgemäße Gefängnisse geschlossen.

83.000 Personen in Haft

England (inklusive Wales) hat derzeit, Status Ende 2010, eine Kapazität in den Gefängnissen für 87.900 Betten. Mit Ende 2010 sind aber nur 83.000 Personen in Haft, was Justizminister Kenneth Clarke die Sicherheit gibt, dass er den Bettenstand in den nächsten Jahren um 3.000 reduzieren kann, ohne sich der Kritik der „Überbelegung“ auszusetzen oder als einer kritisiert zu werden, der die „Sicherheit der Bevölkerung“ gefährde.

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Verwendete Quelle:
The Times (London), 13. Jänner 2011, S. 5 – Im Zeitschriftenhandel um 4,80 Euro zu beziehen.

Marcus J. Oswald (Ressort: International, England, Justizanstalten)

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