Frischer Wind aus OÖ – Elsner geht frei, sagt OÖN

OÖN setzt baldige Entlassung auf Titelseite und beruft sich auf Kreise der Justiz: 9. November 2010. (Titelseitenarchiv Oswald 1090)

(Wien, im November 2010) Frischer aus dem Land ob der Enns: Die „Oberösterreichische Nachrichten“ (OÖN) behauptet heute felsenfest, dass Helmut Elsner bald frei geht. Man nimmt Informationen „aus Wiener Kreisen der Justiz“ zum Anlass und hebt das gleich auf die Titelseite am 9. November 2010.

Was sind das für Informationen? Das eine Pro-Argument ist weithin bekannt: Ruth Elsner hat das feudale Bawag-Penthouse geräumt und ist in eine kleine Wohnung „innerhalb des Gürtels“ gezogen (nicht aber in das Serviten-Viertel des Herausgebers, denn das hätte sich herumgesprochen). Der Umzug ist also nicht neu.

Derzeit zwei U-Häftlinge auf Fussfessel

Das andere Argument, das die Linzer Tageszeitung aufbringt, ist durchaus interessant: Laut OÖN sind derzeit in Österreich bereits zwei Untersuchungshäftlinge mit Fussfessel entlassen worden. Einer in Feldkirch und einer in Graz. Bei beiden bisher problemlos. Damit wäre die Anwendung der E-Fessel bei Elsner keine „Lex Elsner“, er wäre nicht der Erste. Dieses Argument war immer ein unausgesprochenes Hauptargument. Gibt man Elsner die Fussfessel als erster, entsteht in der Bevölkerung der Eindruck, dass er es sich durch Geld oder Einfluss richten konnte. Nun wäre er der Dritte oder Fünfte, je nachdem.

„Lex Elsner“ bislang abgelehnt

Ansonsten nicht viel Neues zur „Causa Elsner“. Am 21. September 2010 fand der letzte Ablehnungsantrag durch den Wiener Strafrichter Christian Böhm statt. Das Rechtsmittel liegt beim OLG Wien. Dazwischen kam eine Einschätzung der Generalprokuratur zum Bawag-Fall, wonach 14 von 18 Fakten des Urteils „halten“, vor allem die nach „Untreue“, aber vier Fakten möglicherweise nichtig sind, darunter die Fakten nach Betrug und Bilanzfälschung.

Hohe Aktenlage und Straferwartung spricht dagegen

Das Hauptargument für die U-Haft war die hohe Straferwartung. 9.5 Jahre Haft sind nahezu ident mit dem einstigen Urteil gegen den Chef der „Bank Burgenland“, der im Hauptverfahren zehn volle Jahre (Höchststrafe) erhielt. Bei Elsner kommt hinzu, dass er 30 Monate zusätzlich für den Gerharter-Kredit erhielt (21. Mai 2008: 30 Monate fest für „Geldgeber“ Elsner, 24 Monate teilbedingt, sechs fest für „Geldnehmer“ Gerharter, 15 Monate bedingt für „Geldboten“ Nakowitz). Dieses Verfahren ist teilweise rechtskäftig, denn Gerharter hat schon um Strafaufschub beantragt, was nur rechtskräftig Verurteilte tun. Da 30 Monate in Zusammenhang mit dieser Straftat (Untreue) nicht utopisch hoch sind, ist die Prognose, dass es auch bei Elsner hält.

In U-Haft sitzt er seit 3.5 Jahren, was er immer wieder zum Anlass nahm, keinen Antrag auf Übernahme in die Strafhaft zu stellen. Das wäre technisch möglich gewesen, hätte schlagartig Haftverbesserungen gebracht, widerspricht aber seinem nichtgeständigen Verhalten im Bawag-I-Prozess (und im Bawag-II-Prozess!) durch alle Jahre und käme einem Schuldgeständnis gleich, was er ablehnt.

Das Bawag-Urteil ist fast 900 Seiten dick, der Bawag-Akt als Grundlage dafür umfasst rund 250.000 Seiten. Gemessen an diesen technischen Details ist es nicht ganz ungewöhnlich, dass auch eine lange U-Haft stattfindet. Sonst wäre kein Unterschied zum gewöhnlichen Hendldieb.

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Update, 9. November 2010, 15 Uhr 02:

Der Enthaftungsantrag von Elsner vor dem OLG Wien scheiterte. Er wurde durch die Anwälte Karl Bernhauser und Jürgen Stephan Mertens eingebracht. Das OLG Wien geht weiterhin von „Fluchtgefahr“ aus. Das Gericht sagt: „Die Fluchtgefahr ist noch immer so bedeutend, dass diese durch einen elektronisch überwachten Hausarrest nicht beseitigt werden kann.“ Anwalt Mertens zeigt sich enttäuscht, da die Staatsanwaltschaft Wien vor kurzem einer Entlassung mit Fussfessel positiv gegenüber stand. Ein weiterer Enthaftungsantrag wird wohl nicht mehr gestellt werden. Es wäre der 15. Antrag. Doch am 22. und 23. Dezember 2010 findet die Berufungsverhandlung zum Bawag-Prozess im Justizpalast statt. Danach wird sich zeigen, wie die Urteile endgültig aussehen.

Erschöpft

Gescheitert ist auch die einstige Grundrechtsbeschwerde (14 Os133/10f) vor dem OGH in Wien am 1. Oktober 2010. Darin sagt das Höchstgericht, dass die jammervollen, aber unkonkreten Argumente der Anwälte nicht ziehen, dass die Gerichte zu langsam arbeiten und Elsner dafür dunsten muss. Sein Grundrecht auf Freiheit ist nicht eingeschränkt, so das Höchstgericht: „Soweit die Beschwerde eine Verletzung des Beschleunigungsgebots im Übrigen ohne konkreten Vorwurf von Säumigkeit iSd §§ 9, 177 Abs 1 StPO, sondern bloß unter Hinweis auf eine Dauer des Verfahrens von „weit mehr als vier Jahren“ behauptet, scheitert sie am Unterlassen einer entsprechenden Bekämpfung in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Beschluss und daher an der Erschöpfung des Instanzenzugs (RIS-Justiz RS0114487).“ Das Urteil im Volltext: hier. (pdf, 92 kb)

Marcus J. Oswald (Ressort: Fussfessel)

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