Haftentschädigung im Fall Foco – Hans Peter L. erhielt 298.934 Euro

Linzer Kaufmann Hans Peter L. 1986 mit vermeintlichen Rotlicht-Kontakten: Für den heute 63-Jährigen ist der Fall Foco ausgestanden. Er erhielt von der Republik Österreich 298.934,53 Euro Haftentschädigung.

(Wien, im Mai 2008) Der Fall Foco ist eine Linzer Melange aus Richterschlampigkeit, Gutachterinnennachlässigkeit, umgekippten Kronzeuginnen und spektakulärer Flucht aus der Justizanstalt Stein mit Hilfe eines Motorrads und einem halben Duzend couragierten Fluchthelfern.

Am 13. März 1986 wurde an einem Linzer Bahngleis die Prostituierte Elfriede Hochgatterer erschossen aufgefunden.

1987 wurde Tibor Foco zu lebenslanger, sein mutmaßlicher Komplize Hans Peter L. zu 18 Jahren Haft verurteilt. Die Kronzeugin, die den tödlichen Schuss abgegeben haben soll, erhielt einen Freispruch.

Richter Johann Koller brach laut Anwesenden im Verfahren die Strafprozessordnung (er soll die Geschworenen falsch informiert haben). Linzer Kriminalbeamte spielten nach eigenen Regeln (einer heiratete später sogar Focos Exfrau). Die Gutachterin meldete fünf Jahre lang keinen Einbruchsdiebstahl in ihrer Praxis (musste aber Anfang der 90er Jahre feststellen, dass einige Beweisstücke verschwunden waren). Die Kronzeugin Regina Ungar zog das warme Florida dem öden Linz vor (kam später wieder zurück und drehte den Spieß gegen die schlagende Polizei um). Und Tibor Foco, der ehemalige Mittelliterklasse-Motorradrennfahrer floh 1995 nach achtjähriger Haft durchs Toilettenfenster der Universität Linz mit dem bereit gestellten Mittelliterklasse-Motorrad auf Nimmerwiedersehen.

Noch keine Bücher über den Fall

Über den Fall Foco werden einmal Bücher geschrieben. Es ist der Falltypus, der den sensationshungrigen Leser interessiert, der auf jeder zehnten Buchseite einen Höhepunkt braucht. Der Fall wird in allen kriminalgeschichtlichen Werken und Sammelbänden ein Kapitel füllen.

Dass das noch nicht jetzt geschieht, liegt an der Zurückhaltung der Publizisten und an der Verhaltenheit der betagten Familie Foco (beide über 90, sehr wohlhabend und mit jüdischen Wurzeln) und des Linzer Familienanwalts und Strafrechtsprofessor Herbert Wegscheider, der noch zuwartet, da der Fall noch nicht abgeschlossen ist.

Wann ist er abgeschlossen? Wenn alle tot sind? Das Wiener Innenministerium steht stramm Gewehr bei Fuß. Es sucht über ihre Webseite nach wie vor nach Tibor Foco. Zeitweilig sechs Fotomontagen waren dort zu sehen, eine unterschiedlicher als die andere. Das war nicht hilfreich, wenn man sich ein Gesicht merken soll. Nach wie vor steht dort als Fahndungsgrund: „Verdacht des Mordes“.

Hans Peter L. erhielt hohe Haftentschädigung

Für einen ist der Fall definitiv abgeschlossen. Dem ehemaligen Lederwarenhändler Hans Peter L. sagte man in Linz beinahe mehr „Strizzi-Gehabe“ nach als Foco. Er saß am Ende sieben Jahre schuldlos in Haft und wurde 1996 in einem dreitägigen Wiederaufnahme-Verfahren am Landesgericht Linz von jeder Schuld entlastet. Als der Spruch verkündet wurde, gab es Applaus aus dem Saal und von der Galerie (wo der Herausgeber dieser Seite saß).

Die Gerichtskiebitze wunderten sich über die patzigen Aussagen der gealterten Kriminalbeamten, die sich Schreiduelle mit dem Richter lieferten. L. ging frei. Davor brach er im Gerichtssaal fast zusammen. Doch er bekam seinen Freispruch. In den folgenden Jahren zog er sich aus der Öffentlichkeit zur Gänze zurück.

Haftentschädigung: 235.949,93 Euro plus Zinsen

Er ist heute 63 Jahre alt. Über seine Haftentschädigung für schuldlose Haft wurde lange nichts bekannt. Das Verfahren zog sich in die Länge. Schließlich entschied das LG Wien für Zivilrechtssachen (ZRS) Mitte 2003 über die Summe: Man sprach Hans Peter L. 235.949,93 Euro zuzüglich 4 % an gestaffelten Zinsen zu.

Abgewiesen hingegen wurde in Erstinstanz ein Mehrbegehren in der Höhe von 69.064,32 Euro samt 4 % Staffelzinsen. Im Berufungsgang vor dem Oberlandesgericht Wien wurde diesem „Mehrbegehren“ jedoch Statt gegeben (11. April 2004). Dagegen ging die Finanzprokuratur vor den Obersten Gerichtshof in Revision.

Rentenfrage auch geregelt

Geklärt wurde auch die Rentenfrage. Die Republik Österreich wurde zur Zahlung einer Pension verpflicht. Hans Peter L. war nach seiner Entlassung vor allem psychisch durch den Wind, schwer angezählt und konnte nicht mehr im Lederwarengewerbe Fuß fassen.

Das Urteil des LG Wien für ZRS (29. Juli 2003) listet präzise die Höhe der Netto-Pension auf: Der ehemalige Kaufmann L., dem im Bogen um die Finanz jedoch auch „Schwarzgeschäfte“ nach gesagt wurden (Wortlaut im Urteil des LG Wien für ZRS!), erhielt vom 1. August 2003 bis 31. März 2004 eine monatliche Rente von 1.565,81 Euro. Er erhielt in der Folge von 1. Mai 2004 bis 31. März 2006 einen Monatsruhebezug von 1.722,42 Euro und ab 1. April 2006 bis 31. Juli.2009 monatlich 1.816,82 Euro.

Abgelehnt wurde ein Frührentenanspruch für den Zeitraum ab 1. September 1998 bis 31. Juli 2003 in der geforderten Höhe von monatlich 1.816,82 Euro. Damit scheiterte L. auch in der Berufung vor dem Oberlandesgericht Wien am 11. April 2004.

298.934,53 Euro von Justizministerium überwiesen!

Seit Herbst 2004 ist das eingeklagte Kapital samt Staffelzinsen überwiesen. Offen ist noch: Die Revisionsklage der Wiener Finanzprokuratur vor dem OGH. Die Prokuratur wehrt sich gegen zusätzliche Verpflichtungen in Höhe von 69.064,32 Euro.

Definitiv entschieden wurden weitere 8.600 Euro von der Republik Österreich an Hans Peter Löffler.

Aus der Entscheidungssammlung HUDOC des ECHR für Menschenrechte (Application Nr. 72159/01-Löffler, No. 2) geht hervor, dass Österreich wegen überlanger Verfahrensdauer im Zivilverfahren mit Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 4. März 2004 zur Zahlung von 6.600 Euro für immateriellen Schadenersatz und zu 2.000 Euro an Kostenersatz verpflichtet wurde.

Marcus J. Oswald (Ressort: Haftentschädigung)

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