FPÖ Kampagne gegen Gefängnis-Theater landet direkt in HEUTE

Am 30. September 2009 war Kampagnenstart und das Projekt Gefängnistheater stand auf der Kippe. (Foto: Heute, 30. September 2009, Quelle: Titelseitenarchiv Oswald 1090)

Am 1. Oktober 2009 war Kampagnenende und das Projekt Gefängnistheater war durch Ministerverfügung gestorben. (Foto: Heute, 1. Oktober 2009, Quelle: Titelseitenarchiv Oswald 1090)

(Wien, im Oktober 2009) Die Tageszeitung Heute gehört nicht zum Intelligenzblatt Wiens. Es spricht Zehn-Minuten-Leser an, die im grauen Proleten-Jumbo tagein tagaus auf engen Sitzen zur Arbeit fahren müssen. Weil sie zu bequem sind, das Fahrrad zu benutzen oder sich kein Auto leisten können, steigen sie in die U-Bahn. Dort wird ihnen das Gratisblatt gereicht.

Die Krone-Männer

Die Redaktion von „Heute“ besteht zum Großteil aus Leuten, die von der Kronen Zeitung kamen. Die Redaktion ist, wenn man so will, die Reservemannschaft der „Kronen Zeitung“. Chefredakteur Richard Schmitt kam von der Oberösterreich-Krone nach Wien, die Linzer Ausgabe der „Heute“ dirigiert ein anderer ehemaliger „Krone“-Mann. Die „Heute“ mit der Zentrale in Wien, einem Ableger in Linz und einem Kleinstbüro in Sankt Pölten gehört insgesamt der „Krone“-Schwiegertochter Eva Dichand. Sie kommt weder aus dem Medienbereich, noch hat sie je Publizistik studiert, sondern arbeitete einmal in einer Bank. Sie mag mit Geld umgehen können, die Grundsätze und die Verantwortung des Medienmachens kann die fast Vierzigjährige heute nicht mehr erlernen.

Die Dichands dirigieren die Donaustadt

Und dennoch: Die „Dichands“ dirigieren in Wien 75,3 Prozent der Gesamtreichweite (Verbreitung durch Verkauf, Abo und Verschenken, 843.000 Leser ab Alter 14 Jahren), die der Wiener Zeitungsmarkt zu bieten hat. Für die Medienexeperten ist diese Dominanz „ungesund“ und „problematisch“. Für die Dichands ist das sehr angenehm und muss man sich plastisch vorstellen: Was Hans (Vater, Chef der „Kronen Zeitung“), Christoph (Sohn, Chef der sonntäglichen „Krone Bunt“) und Eva (Chefin der Zeitung „Heute“) am Küchentisch denken, reden, sinnieren, kann möglicherweise am Montag schon in der Zeitung stehen und, so sagt es die Facherhebung, 75,3 Prozent der Gesamtbevölkerung in den gedruckten Zeitungen erreichen.

Wesen der Kamapgne

Die Zeitung „Heute“ lernt im fünften Jahr das Kampagnisieren wie es das große Vorbild „Kronen Zeitung“ seit Jahrzehnten beherrscht. Das Wesen einer Kampagne ist, dass an mehreren Tagen hintereinander die Titelseite einer großen Zeitung von einem einzigen Thema beherrscht wird und kein Wechsel des Themas stattfindet. Die Schlagzeilen-Dominanz will das Thema verdichten und in die Köpfe der Leser hämmern. Das Wesen der Kampagne ist, dass sinngemacht wird, dass neben diesem Thema kein anderes die Dominanz des Kampagnenthemas erlangen kann. Dann funktioniert die Kampagne. Eine Kampagne ist natürlich eine große Lüge. Denn es gibt täglich hunderte andere, gleichrangige Themen. Wer sich für eine Kampagne in Medien entscheidet, macht klar, dass er nicht bloß spiegeln und abbilden, sondern eingreifen will. Damit verletzt er das Neutralitätsgebot der Information.

Michael Michalke, 55: FPÖ und die Zeitung HEUTE zertrümmerten in einer Kampagne sein Theaterprojekt, das nur eine Aufführung erleben durfte. (Foto: derstandard/Web)

Das Schauspiel im Gefängnis Gerasdorf 15 Kilometer nördlich Wiens kümmerte keinen. Es war bereits im Oktober 2007 beschlossen und abgesegnet. Es war ein Kunstprojekt und kein Sozialprojekt. Daher wurde vom Land Niederösterreich (Kulturressort) eine bescheidene Subvention gegeben, die 28.400 Euro Steuergeld umfasste. Das ist eine Projektförderung, die im durchschnittlichen Rahmen für solche Projekte liegt. Weder ist die Höhe etwas Außergewöhnliches, noch die Art (Bühnenprojekt).

Die Höhe erregt nur solche, die sich in ihrem ganzen Leben nicht mit Kultur und dem System der Kulturförderung befasst haben. Die Art des Projektes (Bühnenprojekt mit mehreren Mitarbeitern) erregt nur solche, die ihr Leben noch nie in einem Theater gesessen haben. Die Förderung ist auch deshalb nicht wirklich hoch, da es sich wie immer im Kulturbereich um eine Gesamtprojektförderung handelt. Enthalten sind die Vorplanung, die Probenarbeit, die Saalmiete für die Tournee-Reise, die Arbeitszeit und Personalkosten. (Gemessen am Monatsgehalt von Hans Dichand – 800.000 Euro – ist es eine 1,5-Tagesgage des Kronen Zeitung-Herausgebers.)

Subvention war für Personal und Mieten, nicht für Häftlinge gedacht

Es war nie geplant, dass Manfred Michalke, der ein alter Theaterprofi rund um das „Freie Ensembe“ ist, die Förderung, wie die Zeitung verkürzt ihren U-Bahn-Lesern im silbernen Proletenjumbo weißmachen will, an die zehn Häftlinge, die als Schauspieler tätig waren, umverteilt. Das Subventionsgeld war für das Bühnenpersonal an den Außenstellen der Theater und die Nebenkosten gedacht, wo Aufführungen stattfinden hätten sollen.

Michalke ist als Gründer des Wiener Vorstadttheaters mit den gängigen Tarifen und Kosten einer solchen Arbeit vertraut.

Zur Aufführungsserie kam es nicht mehr. Die Schatteninstitution, die weltfremde Entscheidungen trifft, die Vollzugsdirektion Wien beschloss auf Weisung des Justizministeriums, dass das Projekt mit 1. Oktober 2009 beendet ist.

Insgesamt fand eine (!) Aufführung statt. 15 Kilometer außerhalb Wiens in der Jugendstrafanstalt Gerasdorf vor 30 Zuschauern. Nur 30 kamen, weil die Schatteninstitution „Vollzugsdirektion Wien“ Presseverbot, Fotoverbot, Auskunftsverbot, Berichterstattungsverbot gab und gar so tat, als wäre in diesem Jugendgefängnis ein Staatsgeheimnis zu wahren. Selbst einer Diplomandin der Universität Wien, die ihre Abschlussarbeit über dieses Theaterprojekt schreiben wollte, wurde in einem totalitären Anflug der „Vollzugsdirektion Wien“ Forschung nach wissenschaftlichen Kriterien (sie studiert Psychologie) untersagt.

Forschungsfeindliches Justizministerium

Der Justizministerin Claudia Bandion-Ortner kann man nicht einmal Führungsschwäche unterstellen. Sie hat das Aufführungsverbot verhängt und das veranlasst, was die Vollzugsdirektion, die dem Ministerium untergeordnet ist, vollzieht. Insoweit kann sich Manfred Michalke seine Hoffnung auch gleich wieder abschminken. Er sagt in einem Interview mit der Zeitung „Der Standard“: „Ich hoffe darauf, dass das Justizministerium seine Weisung zurücknimmt und dieses Politikum nicht auf den Rücken jugendlicher Haftinsassen ausgetragen wird. Wir wollen unbedingt weiterspielen.“ Da hat er etwas nicht verstanden: Die Justizministerin persönlich hat die Weisung erteilt, das Projekt zu stoppen.

FPÖ und Heute begleichen alte Rechnungen

Hauptkritikpunkt war, dass im Stück von Edward Bond „Gerettet“ die Hauptrolle ein jugendlicher Mörder spielte. Und zwar einer, der tatsächlich nach dem Delikt „Mord“ verurteilt wurde. Damit läßt sich wahrlich emotionalisieren und die Zeitung „Heute“ tat das. Die Kampagne ging von der Wiener FPÖ aus, die eine alte Rechnung mit der früheren SPÖ-Justizministerin Maria Berger begleichen wollte und es sich zum Ziel setzte, dass man als späte Rache das von ihr in ihrer Amtszeit genehmigte Kulturprojekt zwei Jahre später zu Fall bringt. Das ist gelungen und dazu kann man gratulieren. Die Zeitung „Heute“ ließ sich dafür einspannen und beweist nun mehrfach extreme Kulturfeindlichkeit.

Nach Kampagne gegen Kramar nun Kamapgne gegen Gefängnistheater

Im Fall Hubsi Kramar wetterte man seiten- und tagelang, dass dieser eine Jahressubvention für das Dreiraumtheater bekommt und diese (im Jahr) 200.000 Euro ausmacht. Die Zeitung „Heute“ verkürzte das und sagte, er verwende diese Kulturförderung nur für das Stück „Pension Fritzl“, was komplett unwahr war.

Die Zeitung „Heute“ schrieb dann weitere Unwahrheiten zu Hubsi Kramars Auftritt am Gerichtsvorplatz in Sankt Pölten am 16. März 2009 und unterstellte Kramar dort „Pimmel, Pimmel“ geschrieen zu haben (Link noch off). Das hat er nachweislich nicht, es gibt einen Komplettvideomitschnitt. Obwohl die Zeitung glatt gelogen und Kramar politisch (wieder für die FPÖ) instrumentalisiert hat, gewann sie den Medienprozess am Landesgericht Wien rund um Kramars Klage nach „Gegendarstellung“ aus rein formalen Gründen, weil Kramars Rechtsanwalt schlampig gearbeitet hatte und sechs Fehler im Gegendarstellungtext machte.

Das Instrumentalisieren von Künstlern und Kulturschaffenden, die von sehr wenig Geld leben, ist das Abartigste, was eine Zeitung machen kann.

Neidschürdebatten

Die Zeitung „Heute“ kann sich auf ihre Fahnen heften, das Kulturprojekt „Edward Bond – Gerettet im Jugendgefängnis Gerasdorf“ aus durchsichtigsten, kulturfeindlichen Gründen abgewürgt zu haben, indem man die „Förderungsdebatte“ führte. Dass über eine Milliarde Euro jährlich in Österreich in Kulturförderung umgelegt werden, sagt man nicht dazu und stilisiert die 28.400 Euro als Riesenbetrag.

Das alles erinnert an den März 1996. Damals wetterte die „Kronen Zeitung“ auf höchst verhaltensauffällige Weise gegen ein Theaterprojekt in der JA Josefstadt, das von Oktober 1995 bis März 1996 am Laufen war: Schillers „Räuber“, gespielt von 30 Häftlingen. Regie: Walter Matthes. Der stolze Subventionsbetrag, den die „Kronen Zeitung“ zum Anlass einer Kampagne nahm: 67.000 Schillinge. Die Zeitung kam aber damals zu spät: Das Projekt war schon zu Ende. Man konnte nur noch nachtarockieren – und tat das auch.

Kunst des Weglassens

Auch damals, 1996, war Kernargument: Der Justizwache gehe es schlecht, an ihr werde gespart. In Kulturarbeit mit Häftlingen werde Geld gepumpt. Das ist ein typisch hoheitlicher, hierarchisch-linearer Denkansatz, ganz so wie die uniformierte Justizwache organisiert ist. Das wäre aber so, als würden die Gefängnisse für die Justizwache gebaut und nicht für humanen Strafvollzug.

Die FPÖ sieht in der Justizwache ein Wählerpotenzial für die Wien-Wahlen und will sich früh beliebt machen und als politische Partei ins Gedächtnis rufen. Nach dem Motto: Justizwache zuerst, dann die Insassen, wir stehen hinter Euch (Wachpersonal). Auch das bezeugt die Weltfremdheit der FPÖ. Denn jeder weiß, dass es der Justizwache in Wahrheit nirgendwo in Österreich schlecht geht. Daher verschweigt man etwas: Dass Kulturprojekte in Gefängnissen nie vom Justizressort bezahlt werden, sondern vom Kulturressort. Das sagte die Zeitung schon damals 1996 (wie heute „Heute“) nicht dazu.

Unter diesem Aspekt kann man sagen „Alles beim Alten“ und man will derzeit gar nicht wissen, was wirklich am Deutschen Mittagstisch der Dichands gesprochen wird.

Marcus J. Oswald (Ressort: Justizanstalten, JA Gerasdorf)

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