Justizwache in Stein gewinnt Farbe

Dunkle Haut, farbiges Engagement: Die Justizwache in Stein beschäftigt einen Mann, dessen Stammbaum in den Kongo reicht. (Foto: Marcus J. Oswald, 22. Dezember 2004, JA Stein)

(Wien, im Jänner 2005) Die JA Stein ist in jeder Hinsicht anders. Von Häftlingen wird sie im Jargon Mutterhaus genannt, was so viel heißt, dass sie unter 28 die wichtigste Anstalt ist. Das Zuchthaus erfreut sich unter den 800 Inhaftierten wegen der ungeschriebenen Gesetze, die tief in die Subkultur der Kriminalität reichen, großer Beliebtheit. Es gibt Häftlinge, die sich von großen Hafthäusern, etwa der JA Garsten, per Schriftantrag an das Justizministerium nach Stein verlegen lassen, weil sie sich nur hier adäquat behandelt fühlen. In Briefen schreiben sie: „Stein ist meine Heimat!“

Erster schwarzer Justizwachebeamter Österreichs

In der größten Männerstrafanstalt Österreichs ist noch etwas anders: Hier arbeitet der erste schwarze Justizwachebeamte Österreichs. Er ist seit zwei Jahren im Corps der Wache und trägt einen Streifen auf der Schulter. Die Ausbildung hat er soeben abgeschlossen. Der hochgeschossene, schlanke Mann ist österreichischer Staatsbürger und wuchs in Wien auf. Seine Eltern stammen aus dem Kongo. Der Dunkelpigmentierte spricht perfekt deutsch und „kann sich hervorragend durchsetzen“, wie der stv. Anstaltsleiter Oberst Helmut Hrdina weiß. Der Austrokongonese plant, den Dienst weiterhin am harten Pflaster JA Stein zu versehen.

Zu Beginn waren Bedenken vorhanden. Würde man 100 Polizeibeamte fragen, wen man seriöser einstuft, einen Wiener arbeitslosen Sozialhilfeempfänger im Gemeindebau oder einen dunkelhäutigen Passanten auf der Straße Wiens, 95 würden auf den Gemeindebausträfling tippen. Das sind natürlich Vorurteile, die schwer auszuradieren sind. Ein weiser Mann (Peter Ustinov) sagte einmal: „Der Unterschied zwischen einem Urteil und einem Vorurteil ist, dass das Vorurteil nicht widerlegbar ist.“

Vorurteile gegen Dunkelpigmentierte

Der afrikanische Kontinent als Armenhaus hat in der ersten Welt Europas keinen guten Ruf. In Wien rufen intern, wenn kein Zivilist mithört, Polizeibeamte Dunkelhäutige vereinfacht „Bimbos“ und es ist noch keine zwei Jahre her, da tat das auch eine Richterin am Straflandesgericht in einem Verfahren. So hatte der Austrokongonese in der JA Stein zu Beginn mit Vorurteilen zu kämpfen. Weniger von Seiten der gut 20 Prozent schwarzen Insassen der JA Stein, sondern aus Kreisen der Kollegenschaft. Dem baute Oberst Hrdina, seit 34 Jahren Beamter in stone city, vor: „Wenn es blede Redereien von Kollegen gibt, kummst zu mir“, sagte er ihm. „Wenn es blede Rederein von Insassen gibt, muasst di selbst durchsetzen.“

Das Ganze scheint ein geglücktes Experiment. Der Exot bewährte sich und man ist zufrieden. Gleichzeitig wünscht die Anstalt, dass man nichts darüber schreibt. Eine Lokalzeitung, sonst immer beste Drähte in die Anstalt, hat um ein Portrait angefragt, doch Pressechef Oberst Hrdina, großer Informationstaktiker und Experte im Strafvollzug, der das größte Papierarchiv Österreichs zur JA Stein verwaltet, lehnte alle Anfragen ab. Nüchtern betrachtet: Jeder Mensch muss gleiche Chancen haben, sich uneingeschränkt der Hautfarbe beruflich zu behaupten. Umgekehrt bringt die Hautfarbe nicht zugleich einen Sonderstatus. Im 380-köpfigen Wachkörper der JA Stein ist grundsätzlich nicht gern gesehen, wenn eine Person aus der Reihe tanzt und Soloauftritte hinlegt. Schon gar nicht einer aus dem untersten Rang. Freilich wäre ein Satz Hrdinas schon Aufhänger für eine Zeitungsgeschichte: „Wenn der in Wien durch den Resselpark geht, würde er wahrscheinlich in ein Planquadrat laufen. Dann kann er zwar seinen Dienstausweis von Stein vorzeigen. Doch man würde ihm vorwerfen, er ist gefälscht.“

Zukunftsmodell „interracionale“ Beamte?

Das Modell hat Zukunft. In einer parlamentarischen Anfrage sagte der kürzlich demissionierte Justizminister Dieter Böhmdorfer, dass in österreichischen Häfen 106 (!) Sprachen gesprochen werden. Zur Erhaltung eines ruhigen, deeskalierenden Klimas kann es im Sprachbabylon der Gefängnisse durchaus positiver Beitrag sein, wenn Leute Dienst tun, die ferne Sprachen und Kulturen in Grundzügen beherrschen. In anderen Einheiten des Staates, etwa dem Bunderheer, ist es bereits üblich, dass muttersprachliche Türken der dritten Generation oder Afroamerikaner der zweiten Generation Aufnahme finden. Der erste Schritt wurde in der JA Stein gesetzt. Im Justizwesen ist er nicht schwieriger als in anderen Wachkörpern.

Man kann überzeugt sein, dass man in zehn Jahren dieser Entwicklung nicht einmal mehr eine kleine Notiz widmet.

Marcus J. Oswald (Ressort: Justizanstalten, JA Stein)

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